Texte
von Christian Schuster
Ferruccio Busoni
* 01. April 1866
† 27. Juli 1924
Andante mit Variationen und Scherzo op.18a (K.184)
Busoni in Wien
1875 reist Ferdinando Busoni mit seinem neunjährigen Wunderknaben Ferruccio das erste Mal nach Wien: „Wir stiegen im Hotel der Fürsten und Berühmtheiten (Erzherzog Carl) ab und waren so glücklich, [Anton] Rubinstein zu begegnen, bei dem der Vater Gelegenheit fand, mich einzuführen und mich „hören zu lassen“ („farmi sentire“), wie er sich auszudrücken gefiel. Dies „laß ihn hören“ („fagli sentire“) tönt mir noch schrecklich im Ohre...“ Im Schottenhof spielt der kleine Busoni damals auch Franz Liszt vor. Am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde beginnt er sporadische Studien und ist in den folgenden Jahren immer wieder für kürzere Perioden in Wien. Sein offizielles Wien-Début (1876) wird von dem gefürchteten Kritiker-Doyen Eduard Hanslick wohlwollend besprochen. Wahrscheinlich gab Hanslick auch den Anstoß dazu, daß sich einige Jahre später auch Brahms für das junge Genie zu interessieren begann: Obwohl das kolportierte Brahms-Dictum „Was Schumann für mich getan hat, will ich für Busoni tun“ in einem schwer überbrückbaren Gegensatz zu den dokumentarisch nachvollziehbaren Beziehungen zwischen den beiden Komponisten steht, ist nicht zu leugnen, daß Wien und vor allem das Wien des Johannes Brahms in den Achtziger Jahren in Busonis Konzert- und Kompositionstätigkeit eine wichtige Stelle einnimmt. Auch Busonis Leipziger Intermezzo (1886-88) und seine dortigen Erfolge dürften von brahminischer Hand aus Wien mitangebahnt worden sein.
Zehn Jahre nach Brahms´Tode wird der inzwischen zum „Weltstar“ avancierte Pianist als Leiter einer Meisterklasse an das Wiener Konservatorium verpflichtet. Im Oktober 1907 trifft er in Wien ein. Vom Niveau seiner Schüler ist er zunächst entsetzt. Aber rasch – wohl zu rasch für seine „Kollegen“ – findet er den rechten pädagogischen Zugang zu ihnen, und als das Direktoium der Gesellschaft der Musikfreunde ihn schon am 14. Februar 1908 seiner Lehrverpflichtung enthebt (eine Krankheit Busonis bietet dazu den willkommenen und eilig ergriffenen Vorwand), verlassen die Schüler geschlossen das Konservatorium, um bei Busoni privat weiterzustudieren. Der urwienerische, für einen Nichtwiener wohl aber unerwartete Vorgang, der damals einigen Staub aufwirbelt, entlockt dem unerschütterlichen Busoni nur ein Zitat: „Als die „British Artists Association“ Whistler zwang, seine Präsidentenstellung aufzugeben, verließ er sie mit den Worten: The Artist has gone, the British remain.“